Huawei Mate 9 im Test: Flaggschiff oder Schiffbruch?

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Vom 13. Januar 2017 Affiliatelink enthalten Testmuster kostenlos erhalten

Huawei hat im November mal wieder ein neues Top-Smartphone vorgestellt. Die Frage, die sich stellt: Schaffen es die Chinesen bei der Menge an veröffentlichten Smartphones wirklich ein qualitativ hochwertiges Gerät herzustellen. Oder sollte man lieber die Finger von dem immerhin 700€ teuren Stück Technik lassen?

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Lieferumfang

Der Lieferumfang ist wirklich groß: Selbstverständlich befindet sich das Smartphone in der Packung und auch ein USB-Kabel ist beigelegt, ebenso wie das Netzteil. Inzwischen längst nicht mehr in jeder Packung zu finden: Kopfhörer (auch wenn diese nicht die beste Klangqualität abliefern dürften). Wirklich gut finde ich aber, dass Huawei einen Adapter von USB Type C auf microUSB beilegt, sodass man auch seine alten microSD-Ladekabel weiter verwenden kann. Ebenfalls hervorzuheben: Huawei packt auch noch einen durchsichtigen Plastik-Bumper mit in den Karton rein. Bei so einem großen Gerät vielleicht gar keine so schlechte Idee. Zu guter Letzt gibt es natürlich auch noch den üblichen Papierkram sowie das SIM-Tool, um den seitlichen Slot aufzubekommen.

Gehäuse und Verarbeitung

Der erste Eindruck ist ausgesprochen gut: Man hält ein solides und gut verarbeitetes, aber recht großes Stück Technik in der Hand. Apropos Größe: Das 5,9" große Display klingt zwar groß, das Smartphone lässt sich aber noch gut in der Hand halten. Wem das iPhone in Plus-Größe nicht zu groß ist, wird auch kein Problem mit dem Mate 9 haben - die beiden Geräte sind von den Abmaßen her gleich groß. Die Front besteht komplett aus Glas und ist ab Werk mit einer Schutzfolie versehen. Unten findet sich wie üblich der Huawei-Schriftzug, an der Oberseite sind rechts des zentralen Lautsprechers Sensoren, Frontkamera und Benachrichtigungs-LED angebracht.

Rückseitig befinden sich unten sowohl Huawei-Schriftzug, als auch die allgemeinen Hinweise wie CE-Kennzeichen. Dafür wird es auf der oberen Hälfte interessanter: Mittig angebracht ist die Dual-Kamera, dazu später mehr. Darunter befindet sich der Fingerabdrucksensor. Rechtsseitig von der Kamera befindet sich der Autofokuslaser, linksseitig der zweifarbige LED-Blitz. Warum zumindest der Laser nicht zwischen beide Kameras gesetzt werden konnte, weiß ich nicht, Platz wäre dort aber gewesen. Die Rückseite besteht aus Aluminium, nur oben und unten ist ein knapp ein Zentimeter großer Plastikstreifen, hierhinter dürften sich die Antennen verbergen, die ja bekanntlich nicht durch Aluminium hindurch funken können. Hinter der oberen Plastikabdeckung liegt außerdem der NFC-Chip.

Die Seitenkanten bestehen aus leicht gebürstetem Alu, welche wieder durch vier Plastikteile unterbrochen werden. Rechts befindet sich oben die Lautstärkewippe, darunter der Powerbutton. Oben finden sich die 3,5mm-Klinkenbuchse ebenso wie der Infrarot-Sender. Auf der linken Seitenkante ist nur der SIM/SD-Slot untergebracht. Unten sitzen beidseitig vom USB-Type-C-Anschluss die Lautsprecher, es gibt also Stereosound.

Insgesamt ist das Phone sehr gut verarbeitet. Es liegt durch die runden Seitenkanten und die leichte Wölbung der Rückseite gut in der Hand und rutscht auch nicht allzu schnell aus dieser heraus, insbesondere mit dem Bumper nicht. Leider steht die Kamera an der Rückseite um etwa einen halben Millimeter heraus, das ist natürlich immer etwas schade. Ansonsten gibt es an dem Design von mir persönlich nichts auszusetzen, wobei gutes Design natürlich auch immer eine Geschmacksfrage ist.

Display

Das Display ist 5,9" groß und löst mit "nur" 1920x1080 Pixeln, also FullHD, auf. Das nur steht hier in Anführungszeichen, da es an der allgemeinen Bildschärfe nichts auszusetzen gibt, trotz des großen Displays sind 373 PPI immernoch völlig ausreichend. Einzig für VR-Anwendungen sind höher auflösende Displays noch sinnvoll, ansonsten ziehen sie nur unnötig am Akku.

Bemängeln lässt sich aber die gleiche Designentscheidung wie auch schon beim Honor 8 (Zum Test): Das Display sieht rahmenlos aus, die schwarze Fläche (wenn das Display ausgeschaltet ist) geht von links nach rechts durch. Allerdings gibt es um den eigentlichen Screenbereich einen etwa zwei Millimeter dicken schwarzen Rand. In der von mir getesteten weißen Variante fällt das stark auf, bei einem schwarzen Phone dürfte das eher unauffällig sein. Das Display wirkt also im ersten Moment größer als es tatsächlich ist.

Die Farben sind gut, wenn auch leicht blaustichig. Wem das nicht gefällt, kann in den Einstellungen den genauen Displayfarbton nach Wunsch festlegen. Dort gibt es auch den Sehkomfort-Modus, bei dem (optional nach Zeitplan) die blauen Farben des Displays reduziert werden, um so augenschonender in der Nacht zu sein.

Technische Ausstattung

Technisch ist das Gerät state of the art. Mit dem Kirin 960 Octacore, 4GB RAM und 64GB internem Speicher wird es auch die nächsten Jahre noch technisch top sein. Und auch die Konnektivität lässt nichts zu wünschen übrig: LTE Cat-9, der WLAN-ac mit knapp 7GBit/s, Bluetooth 4.1, NFC, Infrarot, GPS und auch Glonass lassen sich auf dem Datenblatt finden. Einziger Kritikpunkt: Der USB-Anschluss an der Unterseite ist zwar vom Stecker her Type C, läuft technisch aber nur auf dem USB 2.0-Standard. Hier wäre es schön, in Top-Geräten endlich auch mal USB 3.0-Geschwindigkeiten zu sehen.

Die Performance ist, wie es die Daten vermuten lassen, ebenfalls top. Ein App-Wechsel geschieht ohne jegliche Bedenkzeit, dank des großen Arbeitsspeichers lassen sich auch mehrere Apps gleichzeitig problemlos offen halten. Der aggressive App-Killer, welcher bis zu Huaweis Android-Aufsatz EMUI 4 aktiv war, ist endlich in der neuen 5er-Version standardmäßig deaktiviert, somit lässt sich gut mit dem Gerät im Alltag arbeiten.

Huawei setzt beim Mate 9 auch wieder auf das bewährte DualSIM/microSD-Konzept: Anstatt einer zweiten SIM-Karte (welche aber nur im GSM-Netz funkt) kann man auch eine microSD-Karte zur Speichererweiterung einsetzen. Ebenso dürfte es auch wieder möglich sein, den SIM-Chip vom Plastikhalter zu entfernen und unter die microSD zu kleben. Das habe ich aber nicht ausprobiert und geschieht auf eigene Gefahr. In früheren Huawei-Geräten konnte man diesen Hack aber nutzen.

Der Fingerabdrucksensor sitzt wieder auf der Rückseite, was ich persönlich auch für die bessere Positionierung halte. Im Vergleich mit dem iPhone ist das Entsperren über den Zeigefinger einfach natürlicher. Das klappt übrigens beim Mate 9 perfekt. Von Finger auflegen zu Display entsperrt in weniger als einer Sekunde. Besser könnte er nicht funktionieren.

Kamera

Kameratechnisch will Huawei die Kamera des P9 nochmal verbessert haben. Auch hier kommt auf der Rückseite eine Dual-Kamera, die in Kooperation mit Leica entwickelt wurde, zum Einsatz. Die Farbkamera hat dabei 12 Megapixel, die Schwarz-Weiß-Cam wurde sogar auf 20MP aufgerüstet. Fotos werden normalerweise mit 12MP aufgenommen, ihr habt aber auch die Möglichkeit 20MP-Fotos aufzunehmen, dann werden die beiden Bilder miteinander verrechnet. Es gibt aber auch den Monochrom-Modus, bei dem nur der Schwarz-Weiß-Sensor zum Einsatz kommt. Dieser sorgt dann für erstaunlich gute und natürliche Fotos, ganz anders als man sie von normalen Smartphone-Kameras kennt. Die Fotoqualität des Mate 9 kommt insbesondere bei Nachtaufnahmen hervor. Hier leistet sie wirklich gute Arbeit. Auch ein manueller Modus mit Einstellungen für u.a. ISO, Verschlusszeit und Belichtungskorrektur für Profis ist vorhanden. Die Blende lässt sich dort aber nicht manuell verstellen, wobei das bei Sensoren in Smartphone-Größe natürlich auch eher witzlos wäre. Es gibt aber einen Blenden-Modus, bei welchem die Informationen beider Kameras für einen starken Tiefenunschärfen-Effekt genutzt wird. Er kommt natürlich nicht an echte Vollformat-Objektive heran, dennoch lassen sich die Ergebnisse durchaus sehen. Bei feinen Details versagt der Modus dann aber doch ab und an mal.

Es gibt einen optischen Bildstabilisator, der ebenso wie die verschiedenen Autofokus-Technologien für scharfe Bilder sorgen soll. Die ganzen Software-Features, die auch beim Honor 8 schon manch nützliche Funktion hervorgebracht haben, sind auch beim Mate 9 wieder mit an Board. Zusätzlich gibt es eine Art App-Store für weitere Funktionen, die man sich bei Bedarf dazu installieren kann.

Videos lassen sich natürlich auch aufnehmen, wie es sich für ein Top-Gerät gehört selbstverständlich auch in 4K-Auflösung. Dabei müssen der optische Bildstabilisator ebenso wie die Gesichtserkennung leider aufgeben, die beiden funktionieren nur bis 1080p30. Zeitlupenvideos lassen sich mit 1080p120 oder 720p240 aufnehmen. Warum die Zeitraffer-Videos (Timelapse) allerdings auf 720p beschränkt sind, ist mir bis heute ein Rätsel.

Sound

Das Mate 9 ist eines der Phones mit der höchsten Lautstärke, zumindest unter denen, die ich bisher in der Hand hatte. Es reicht sogar, um mich morgens aus dem Schlaf zu holen 😉. Dank Stereo-Lautsprechern ist auch ein YouTube-Video noch gut zu verstehen. Auch Musik kann man noch gut hören, solange man die Lautsprecher nicht zu stark aufdreht. Schade ist natürlich, dass sich die Lautsprecher an der Unterseite befinden, so werden sie beim Anschauen von Videos im Querformat gerne mal mit der Hand abgedeckt.

Akku

Bezüglich des Akkus hat mich das Mate 9 positiv überrascht. Die 4000mAh reichen locker für zwei Tage moderater Nutzung oder 1,5 Tage bei starker Nutzung. Selbst einen kompletten Tag auf dem Chaos Communication Congress, inkl. Dauer-Getwittere und Video-Livestreaming hat das Gerät ohne zusätzlichen Saft überstanden. Hätte ich noch eine zweite SIM-Karte eingelegt, hätte es aber durchaus knapp werden können.

Wenn der Akku dann doch mal leer ist, kann man ihn in weniger als zwei Stunden wieder aufladen. Klingt erst einmal durchschnittlich, allerdings solltest du dabei bedenken, dass der Akku 4000mAh groß ist. Um so schnell laden zu können, jagt Huawei bis zu 22,5 Watt durchs Kabel, dabei wird mit 4,5 Volt und 5 Ampere geladen. Aktueller Rekordhalter in Sachen Ladestrom.

Software

Fast alle Schwachstellen, die Huaweis Android-Oberfläche in der alten 4er-Version hatte, wurden behoben. EMUI 5 fühlt sich zusammen mit Android 7 wirklich sehr gut an. Dabei lassen sich die Software-Tipps, die ich schon fürs Honor 8 empfohlen hatte, fast alle auch auf das Mate 9 übertragen. Mit dem neuen EMUI kann ich Huawei-Geräte auch endlich bedenkenlos empfehlen, da die Nutzung nicht mehr künstlich eingeschränkt (App-Killer) wird oder sie wie von Apple abgekupfert wirkt. Sogar ein App-Drawer lässt sich aktivieren. Ebenso können die ganzen vorinstallierten Apps problemlos deinstalliert werden.

Leider merkt man aber auch, dass EMUI 5 noch nicht komplett ausgereift ist. So wird zwar das Ändern des Ansichtsmodus von Android 7 unterstützt (damit lässt sich das Display unterschiedlich skalieren), die Schriften für die Benachrichtigungs-Aktionen sind aber im Vergleich sehr klein.

Fazit

Das Huawei Mate 9 ist ohne Frage ein sehr gutes Gerät und mit der Display-Auflösung die wohl beste Alternative zum Samsung Galaxy Note 7. Wem die Optik gefällt und das nötige Kleingeld hat, kann hier bedenkenlos zuschlagen. Leider wird der gute Eindruck durch nicht vorhandene Top-Features wie Wasserfestigkeit oder kabelloses Laden, die von der koreanischen Konkurrenz geboten werden, etwas getrübt.

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